Zum Vinzenzfest: Beten - in der Gegenwart Gottes sein

Am 27. September gedenken wir unseres Gründers Vinzenz von Paul

Andächtige, feierliche Ruhe ausstrahlend, lenkt das ursprüngliche Hochaltargemälde der 1839 geweihten Mutterhauskirche der Barmherzigen Schwestern den Blick des Betrachters geradewegs auf den hl. Vinzenz von Paul.

Gekleidet in liturgische Gewänder, ist er ganz von einer mächtigen Wolke und hellem Licht umgeben. Wolke und Licht drücken – in Anlehnung an biblische Bildsprache – die Herrlichkeit Gottes aus, in die der hl. Vinzenz aufgenommen ist. Auch die Haltung des Heiligen bringt zum Ausdruck, dass er sich ganz in Gottes Gegenwart befindet: die Knie sind gebeugt, die Hände ausgebreitet, der Blick nach oben gerichtet – er ist ganz in die Anschauung Gottes, ins Gebet versunken.

 

Diese Darstellung bringt ein Charakteristikum vinzentinischen Charismas zum Ausdruck: Alle Aktivitäten, die Vinzenz im Laufe seines Lebens im Dienst für die Armen – die Vernachlässigten, Ausgegrenzten, Verängstigten und Bedürftigen – ins Leben gerufen hat, können nicht ohne seine beständige Hinwendung zu Christus, sein Sich-Hineinstellen in die Gegenwart Gottes, mit anderen Worten: ohne das Gebet verstanden werden.

 

„Das innerliche Gebet ist eine Erhebung des Herzens und Geistes zu Gott. Die Seele löst sich gleichsam von sich selbst, um Gott in sich zu suchen. Es ist eine Unterredung der Seele mit Gott, ein stummes gegenseitiges Verstehen und Austauschen. Gott teilt der Seele innerlich mit, was sie nach seinem Willen wissen und tun soll. Und die Seele vertraut ihrerseits ihrem Gott in stiller Zwiesprache ihre Bitten an, so wie er selbst es sie gelehrt hat. So kostbar ist das innerliche Gebet. Wir müssen es deshalb hochschätzen und allem anderen vorziehen.“

 

Mit diesen und ähnlichen Worten beschreibt Vinzenz eine Gebetsform, die er den Vinzentinern und den Barmherzigen Schwestern immer wieder ans Herz legt. Durch die innige Verbundenheit mit Gott mögen sie fähig werden, Christus in den armen und leidenden Menschen zu sehen und ihnen durch die Verkündigung der Frohen Botschaft und mit tätiger Hilfe zu dienen – so wie es einst Vinzenz für sich erbat:

 

„Dies ist mein Gebet an Dich, o Herr! Schenke mir Deine besondere Gnade. Schütte Deine Wahrheit und Dein Erbarmen in Fülle über mir aus, damit ich Deine Liebe in Taten umsetzen kann, mit wahrer Liebe für Dich, meinen Nächsten und auch für mich.“

 

Susanne Kaup